© Schauspiel Leipzig / Manuel Müller

Simultanübersetzung Englisch am 14.10 + 26.11.17

Simultanübersetzung Spanisch am 29.10 + 16.12.17

Kinderbetreuung am 26.11.17

89/90

Nach dem Roman von Peter Richter
Für die Bühne bearbeitet von Claudia Bauer und Matthias Huber

//Eingeladen zum 54. Theatertreffen 2017

Sie sind der letzte Jahrgang, der noch alles erleben darf im Herbst der DDR: erotisch-spielerische Freibadnächte, die Kontrollen durch die Polizisten im öffentlichen Raum, die Konzerte im FDJ-Jugendklub oder in der Jungen Gemeinde, wo ein Hippie mit wachsamem Blick Suppe kocht für die Punks und ihre Pfarrerstöchter. Sie sind auch die Letzten, die noch die „vormilitärische Ausbildung“ genossen. Und sie sind die Ersten, die das dort Erlernte im Herbst 89 gegen die Staatsmacht anwenden. Und schließlich gegeneinander. Denn was bleibt einem, wenn die Freundin eine gläubige Kommunistin ist und die Kumpels aus dem Freibad zu Neonazis werden?
„89/90“ beschreibt die chaotischen Zustände zur Wendezeit. Von der Unschuld des letzten Sommers in einem Dresdner Freibad bis zu den Straßenschlachten rund um die deutsche Einheit. Einer Zeit der Umwälzung, in der überraschenderweise ganz offen viele Grundlagen für die gegenwärtigen Stimmungen und Verwerfungen der deutschen Gesellschaft liegen.

Peter Richters Roman ist ein Coming-of-age-Roman, ein Tagebuch des Erwachsenwerdens in stürmischen Zeiten, in denen Musik naturgemäß ein umso wichtigerer, identitätsstiftender Teil des Lebens ist. Der Autor unterfüttert seinen Text mit einem Soundtrack der damaligen Zeit. Auch in Claudia Bauers Inszenierung spielt Musik eine wichtige Rolle: Das Ensemble agiert als Punkband auf der Bühne und wird ergänzt um einen 24-köpfigen, klassischen Chor, der neu vertonte DDR-Punk-Lieder klassisch interpretiert.

„Das knappe Jahr zwischen Mauerfall und Beitritt war vielleicht nicht nur das beste Jahr der DDR, sondern auch das folgenreichste der Bundesrepublik. Es ist der Nullpunkt, von dem aus man sich noch einmal anschauen kann, wie alles Mögliche auch hätte anders laufen können. Es ist das Jahr, in dem ein beträchtlicher Teil Deutschlands sich im Zustand einer echten Anarchie befindet. Mit allen Herrlichkeiten, die so etwas mit sich bringt. Und mit allem Horror. Wer da nicht noch einmal genauer hinschauen will, der interessiert sich auch für seine Gegenwart nicht.“ Peter Richter

Peter Richter, 1973 in Dresden geboren, begann zunächst eine Druckerlehre und studierte dann in Hamburg und Madrid Kunstgeschichte. Danach arbeitete er beim Deutschlandfunk in Köln, beim Deutschlandradio Berlin und als Redakteur und Kolumnist im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Seit Sommer 2012 ist Peter Richter Kulturkorrespondent der Süddeutschen Zeitung in New York. Als Buchautor wurde er mit Titeln wie „Blühende Landschaften“ und „Deutsches Haus“ bekannt. „89/90“ ist sein erster Roman.

Claudia Bauer, Hausregisseurin am Schauspiel Leipzig, arbeitet regelmäßig mit Verfremdungen, Überzeichnungen und unter Einsatz verschiedener Stilelemente, immer auf der Suche nach dem Kern des Stoffes. Und so wird auch „89/90“ keine reine Nacherzählung der Geschichte, sondern eine Auseinandersetzung mit den Themen des Romans, unter anderem der Frage nach den Konsequenzen von Konformismus und Nonkonformismus in einer Gesellschaft, die, wie Deutschland in den damaligen Jahren, einer großen Belastung ausgesetzt ist. Die Musik in der Inszenierung ist komponiert und arrangiert von Komponist und Musiker Peer Baierlein, der schon die Sounddesigns zu „Und dann“ und „Splendid’s“ am Schauspiel Leipzig entwickelte. Die Leitung des Chores obliegt Daniel Barke.

„89/90“ von Peter Richter, © 2015 by Luchterhand Literaturverlag München, in der Verlagsgruppe Random House

//Pressestimmen

„Eine großartige Idee, wie man Peter Richters […] Erinnerungsroman "89/90" theatergerecht adaptieren kann. […] Geradezu dadaistisch werden Militärjargon und ideologische Belehrungen in den Gesang integriert, darübergelegt, geschrien, geträllert. Das ist wie Marthaler, nur schneller, schriller, lauter.“ nachtkritik.de

„Eine atemberaubend schnelle Folge von Ereignissen wie Grenzöffnung, erster Besuch im Westen oder die brutalen Straßenkämpfe zwischen Rechts und Links lassen keine Zeit. Großartig, wie es Regisseurin Claudia Bauer gelingt, diesen Spannungsbogen aufzubauen und ihn während des ganzen Stückes zu halten. Der Zuschauer bleibt im Bann des Geschehens, gefesselt. […] Mitreißend und einfach nur großartig.“ mdr.de

„Bauer nimmt ‚89/90‘ zum Anlass einer globalen heutigen Wendebetrachtung. [...] Mit einem so inszenierten Konglomerat aus Militärdrill, Körperkontrolle und Chorkollektiv-Indoktrination – den Hits der Diktatur-Sozialisierungsmaßnahmen schlechthin, sich ja bekanntermaßen tatsächlich ein Stück weit dem individuellen Bewusstsein entziehen – lässt sich dann auch in treffsicherer Komplexität bei den Nazi-Parolen landen, die ein Teil der früheren Freibad-Oppositionsjugend anno 1990 plötzlich anstimmt.“ Theater heute

„Eine gelungene, eine inhaltlich treffende und ästhetisch spannende Inszenierung. Ein Abend, der viel will und wagt.“ LVZ

„Ein geschicktes, ganz realistisches Hereinholen der Vergangenheit und auch das Eintauchen in das Buch und seine Geschichte. [...] Perfekt getragen und umgesetzt, sowohl vom Chor, als auch den Profidarstellern.“ MDR Kultur

„Die Stimmung des Buches wird in spannende Bilder aufgelöst, wenngleich diese teilweise sehr starr bleiben, die auch mal grotesk sind und eben nicht nur bebildern. Doch die Inszenierung entwickelt darüber einen Rhythmus, die Bilderfolge hat einen Takt und szenische Reprisen, die Sozialisation, Ausbruch und Wiederholung der Geschichte vermitteln. [...] Die Inszenierung hat, sowohl akustisch als auch visuell, einen ganz eigenen, starken Sound.“ mephisto97.6

„Bauer zeigt ihre Sicht auf '89/90' mit abgründigem Humor und Verfremdungseffekten. [...] Der prägnante Gesamtrhythmus ist wichtiger als der Einzelgag. Es breitet sich eine düster-surreale Stimmung aus, als untersuchte man das Leben auf einem anderen Planeten.“ Sächsische Zeitung

„Großes Theater. [...] Unübersehbar ist Claudia Bauer in ihre Ideen verliebt. Aber die tragen tatsächlich über die gesamte Dauer. [...] sinnlich und opulent.“ Theater der Zeit

Claudia Bauer „hat einen formal starken Zugriff auf die Vorlage. Der fulminante Chor, der mal zärtlich DDR-Heimatlieder singt, mal machtvoll "Freiheit" skandiert, erinnert an Einar-Schleef-, die Live-Kamera an Frank-Castorf-, die Choreografie an Christoph-Marthaler-Arbeiten – aus all diesen künstlerischen Vorbildern entsteht bei Claudia Bauer etwas sehr Eigenes. Eine energiegeladene Inszenierung, die sich auch mal einen Hauch Selbstironie gönnt. Mit einem sehr spielfreudigen Ensemble, das vom Publikum gefeiert wird.“ Berliner Morgenpost

„Bauers kurzweilige, weil spannungsgeladene Inszenierung ist unter dem Strich eine skurrile Freakshow voller Extreme und Absurditäten.“ Leipziger Internet Zeitung

„Das Chorische vermischt sich unter dem körperbetonten Dirigat von Chorleiter Daniel Barke wunderbar mit kurzen Szenen aus der Schule, Geplapper in der Raucherecke, allerlei Zwischenrufen oder auch Episoden aus dem Wehrlager. [...]  Das ist einerseits ein herrlicher musikalischer Verfremdungseffekt, anderseits wirken diese minutiös einstudierten Chorpassagen wie kleine vertonte Absurditäten aus der späten DaDaR. [...]  Ein großer Spaß. Auch wenn dabei die in Richters Textvorlage leicht mitschwingende politische Botschaft etwas unterzugehen droht. Die unglaublich künstlerische Raffinesse der kolossalen Chorarbeit rettet aber die Inszenierung von Claudia Bauer ins Ziel.“ KULTURA EXTRA

„Neben dem ausdrucksstarken Spiel und der Bravour mit der die erwachsenen Akteure Jugendliche darstellen, wir auch noch gesungen: Solo und im Chor. Vor allem der alternierende, sich immer wiederholende Kanon eines FDJ-Liedes vermag es (trotz der Eintönigkeit) mit der perfekten Umsetzung das Publikum zum Szenenapplaus zu animieren.“ student!

„Bauers '89/90': Das sind wuchtige Bilder und eine glühende Hoffnung in eine bürgerliche Zivilgesellschaft, die laut und beschwingt in den Straßen Fragen stellt.“ neues deutschland

„Das exzessive Wiederholen einzelner Textpassagen, das in absurde Tanzformationen eingearbeitet wird, bindet Tragik und Komik so eng aneinander, dass es fast schmerzhaft ist.“ Freie Presse

„Theater als Fragezeichen und Möglichkeitsraum, als Erinerungslabor und Sprachfinder. In Claudia Bauers Inszenierung kommt all dies zum Leben. Und das ist vielleicht das Faszinierendste an diesen aufregenden drei Stunden.“ Stage and Screen

Premiere: 16. September 2016
Spieldauer ca. 3:15, eine Pause

Theaterpädagogische Betreuung: Jennifer Gaden