© Katharina Merten

Die Schutzflehenden / Die Schutzbefohlenen

Aischylos (Die Schutzflehenden)
Elfriede Jelinek (Die Schutzbefohlenen)
Übertragung Aischylos: Dietrich Ebener

// Eingeladen zu den 70. Ruhrfestspielen Recklinghausen 2016

Eine humanistische Utopie aus der Antike und die Realität der Gegenwart treffen aufeinander. Verfasst ca. 463 v. Christus von einem der ersten Dramatiker, Aischylos, und verfasst 2014 von der Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek.

2013 suchen Flüchtlinge Asyl in Österreich und Zuflucht in der Votivkirche an der Wiener Ringstraße — und werden vertrieben. Diesen Vorfall nimmt Elfriede Jelinek zum Anlass einer vehementen Auseinandersetzung über den Umgang der Wohlstandsgesellschaft mit den Flüchtlingen aus dem Mittelmeerraum, über die Konstrukte der gedanklichen und geographischen Abschottung und der Angst vor dem Fremden.
Als Blaupause dient Elfriede Jelinek dabei Aischylos’ Text „Die Schutzflehenden“, der als erhaltener erster Teil eines verlorengegangenen Werkes das Schicksal der Töchter des Danaos beschreibt. Diese fliehen aus ihrer Heimat Ägypten über das Meer an den Strand von Argos. Dort flehen sie den König Pelasgos um Schutz an, er möge sie nicht den Söhnen Aigyptos’ ausliefern. Pelasgos befragt sein Volk — und das entscheidet, den Töchtern des Danaos Asyl zu geben. In die allgemeine Freude mischt sich die Sorge der Dienerinnen, die am Ende ahnungsvoll fragen, ob das Schicksal sich mit dieser Rettung schon erfüllt hat …
Einer der topographischen und thematischen Fixpunkte beider Texte ist das Mittelmeer: „Mare Nostrum“ nannte es die Antike, „Mare Nostrum“ hieß die im Oktober 2014 ausgelaufene Hilfsaktion Italiens zur Rettung von schiffbrüchigen Flüchtlingen auf dem Mittelmeer.

Das Schauspiel Leipzig wird beide Texte zeigen und in Korrespondenz stellen, die sich mit je eigener Kraft und Ästhetik gemeinsamen Fragen nähern. Bezugspunkt des Aischylos-Dramas sind die Götter, Bezugspunkt in Elfriede Jelineks Text sind wir alle.

//Pressestimmen

„Die Leipziger Aufführung schlug den Bogen vom antiken Ritus zum heutigen Chaos, von der göttlichen Regel zur politischen Improvisation, von einer wertebewussten Gesellschaft zur Modernisierung eines Dilemmas. […] Der Leipziger Abend zeigt große Wirkung und wird zu Recht bejubelt.“ Süddeutsche Zeitung | zum gesamten Artikel

„Lübbe gelingt die Melange aus Chorarchaik und Trash, aus todernstem Wort- und poetischem Bildertheater so, dass man plötzlich spürt, wozu Theater eigentlich da ist.“ Die deutsche Bühne | zum gesamten Artikel

„Oft debattiert die Inszenierung Fragen der Gegenwart. Das tut sie trotz der Schwere des Themas mit einer bemerkenswerten sprachlichen Eleganz. Die Chöre sprechen in einer klaren Sprache. Enrico Lübbe beweist sich als Regisseur wohldosierter Bildgewalt und pointierter Kürze. [...] Die beste Inszenierung auf der großen Bühne des Schauspiel Leipzig.“ mephisto 97.6

„Ein Abend [...] gut austariert zwischen Nachdenklichkeit, Schauwert und der Ästhetik des Chores. Und der gerade deshalb dem komplexen Thema angemessen ist, weil er auf ein Gut-Böse-Schema verzichtet, sich mit der Anklage zurückhält, weil er Antworten sucht und nicht gibt.“ LVZ

„Enrico Lübbe trifft mit dieser Doppelpremiere eindrucksvoll den Nerv der Zeit. [...] Der Chor brilliert durch handwerklich hochkarätigen Sprechgesang, der den theoretisierenden Text quasi in die Köpfe der Zuschauer hämmert.“ Sächsische Zeitung

„Der Chor leistet handwerklich bemerkenswert exakte Arbeit.“ Freie Presse

„Regisseur Enrico Lübbe macht [...] aus den Stücken des alten Griechen und der gegenwärtigen Österreicherin ein atemberaubendes Ganzes.“ Mitteldeutsche Zeitung

Der Part 'Die Schutzflehenden' „ist sehr stark geraten; [...] Dass Leipziger Bürger als Statisten das Finale bestreiten, ist in Sachsen allerdings ein kraftvolles Zeichen: für die Vernunft.“ Deutschlandradio Kultur

„Lübbe setzt in seiner Regie klugerweise auf Vergegenwärtigung des Textes, darum vermeidet er vordergründige Aktualisierungen. [...] Der von Marcus Crome geleitete Chor agiert präzise, die vielen Stimmen klingen hier nicht auf anonyme Weise entindividualisiert, sondern auf überindividuelle Weise wie das Gattungssubjekt Mensch. [...] Was hier geschieht, wird zur Katharsis, zur reinigenden Selbstbefragung über den Sinn von Menschsein.“ Theater der Zeit | zum gesamten Artikel

„Die Inszenierung ist nicht nur einem hochaktuellen Thema gerecht geworden, sondern auch gelungen. Sich beiden Stücken in einer Inszenierung zu widmen bedarf Mut, dieser Mut schaffte ein Stück, das in Erinnerung bleibt und das Publikum begeisterte.“ Leipzig Almanach

Ein „insgesamt spannender und fordernder Theaterabend. [...] Der Flüchtlingschor von über 50 Laiendarstellern sowie einigen Schauspielstudenten agiert mit großer Präzision und beeindruckender Intensität.“ Der Sonntag„Das Ensemble spielt in Höchstform, allen voran Ellen Hellwig: sensibel, weise und aufmüpfig. [...] Hier wird im besten Sinne aufgeklärtes und aufklärerisches Theater gezeigt!“ Leipzigs Neue

„Ein spannender Brückenschlag. [...] Entstanden ist ein großartiger Theaterabend, der seine eindringliche Wirkung vor allem aus dem hochemotionalen, sprachgewaltigen und zugleich klugen Text von Elfriede Jelinek zog.“ westfalium.de

„Mit einem starken, hoch ästhetischen Eröffnungsbild zieht Regisseur Enrico Lübbe sein Publikum von der ersten Sekunde in sein Doppelstück hinein. [...] Für das komplexe Thema liefert Enrico Lübbe ein schlüssiges Konzept mit wohl dosierter Bild- und Klanggewalt.“ Recklinghausener Zeitung

Probenreportage zur Chorarbeit
  MDR Figaro

Premiere: 2. Oktober 2015
Spieldauer ca. 2:00, keine Pause
Zur Leitung & Besetzung der Chöre

Theaterpädagogische Betreuung und Begleitmaterial: Jennifer Gaden